VP Central Europe
bei Cornerstone OnDemand
Interview mit
Michael Grotherr
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation am HR Softwaremarkt ein (vor dem Hintergrund „New Work“, Pandemie, etc.)?
Wir sehen derzeit zwei Gruppen von Firmen. Die Digitalisierungsbeschleuniger – meist gesunde Unternehmen – und Firmen, die Digitalprojekte aufgrund knapper Kassen herunterfahren. Gerade bei resilienten Unternehmen sehen wir eine Beschleunigung wesentlicher Projekte im Hinblick auf zukünftige Anforderungen wie Kompetenzen und benötigte Skills. Sie bemühen sich jetzt aktiv um die Ausrichtung des Unternehmens auf die Zukunft aufgrund der vielen disruptiven Entwicklungen.
Manche gehen sogar so weit, Investitionen vorzuziehen in Bereichen wie kollaborative Technologien (Zoom etc.), Learning, Check-ins statt starrem Performance Management und mehr direkten Kontakt mit Mitarbeitern pflegen. Covid und Work from Home hat hier die Notwendigkeiten verändert.
Bei geschwächten Unternehmen passiert genau das Gegenteil: Viele Projekte werden als „nice to have“ unterpriorisiert, dazu zählen insbesondere Themen wie HR Software und Talent Management. In der Folge sind diese Unternehmen für die Zukunft noch schlechter aufgestellt. In dieser Gruppe ist es so, dass Budgets bei vielen Unternehmen aufgrund der Unsicherheiten und der Geschäftslage nicht genehmigt werden.
Insgesamt ist ein stärkerer Fokus auf technologische Unterstützung in der HR-IT spürbar, da die seit einem Jahr genutzten neuen Medien wie Microsoft Teams oder Zoom und eLearnings erhalten bleiben werden.
Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren eines HR-IT-Auswahlprojektes (Prozesse, Organisation, Standardisierung, …)?
Vielleicht vorab ganz kurz drei Punkte, die wir vergleichsweise häufig erleben. Erstens agiert HR oft als „Bremsfaktor“ und vergisst den Fokus auf die Mitarbeiter zu legen. Zweitens begnügen sich viele häufig mit dem Status Quo anstelle einer Vision, was man über das kommende Projekt hinaus noch alles daneben anbieten könnte. Und drittens bauen Unternehmen manchmal zu wenig Flexibilität ein, um Veränderungen vorzunehmen.
Wenn die Idee zum Projekt aber einmal richtig aufgesetzt ist, ist zunächst der Aufbau des richtigen Teams mit den richtigen Stakeholdern besonders wichtig: IT, HR und natürlich die Geschäftsleitung, um immer wieder den Abgleich zu schaffen mit den Unternehmenszielen. Mit diesen direkt verbunden ist der Business-Case eines solchen Projektes: Was wollen wir erreichen und was könnten die Erfolgskriterien bzw. KPIs sein?
Dazu muss man in der Regel zunächst die bestehenden Prozesse evaluieren und auf eine Art „Entdeckungsreise“ im Unternehmen gehen. Dabei stellt man meist fest, dass sich nicht alle Prozesse über SaaS abbilden lassen. Daher kommt den Themen Evaluation und Selection – also dem Blueprint für die künftigen Prozesse – eine entscheidende Rolle zu.
Ebenso wichtig ist natürlich das Team auf der Käuferseite, mit dem man sich eng verknüpfen muss – in den mehr als 3000 Projekten, die wir bislang durchgeführt haben, hat sich dies bewährt.
Die Kontrolle eines solchen Projektes sollte immer durch eigens definierte KPIs erfolgen: Wie könnte der ROI aussehen, was sind die wirklichen Kosten und sind die Mitarbeiter wirklich eingebunden? Dies sind Fragen für das Unternehmen. Zugleich gibt es aber eine ganze Reihe an Fragestellungen im Umgang mit dem Kunden: die Erwartungen müssen richtig gemanagt werden, Rollen, Phasen und Verantwortlichkeiten definiert werden – dies sollte im besten Fall schon in der Sales-Phase stattfinden.
Was sind die Anforderungen aus Ihrer Sicht an die ausschreibenden Unternehmen?
Der Markt für Talent Management Software ist nicht mehr ganz jung und inzwischen in eine Konsolidierungsphase getreten. Naturgemäß stellen wir fest, dass die Unternehmen immer treffgenauer werden im Einkauf dieser Lösungen, weil sie sich intensiver damit beschäftigen. Wir bemerken auch, dass die strategische Bedeutung solcher Softwarelösungen immer stärker gesehen wird. An erster Stelle steht natürlich der Implementierungsansatz – also wann kann die Lösung wirklich produktiv sein – und welchen Impact hat sie bzw. wie mitarbeiterzentriert ist sie? Die Unternehmen erkennen aber auch zusehends, dass sie die relevanten Mitarbeiter – Fachbereich, Einkauf, IT – von Anfang an involvieren müssen, um zum einen die Anforderungen und Themen so detailliert wie möglich definieren zu können – Stichwort RFP – und zum anderen natürlich auch, um den Buy-in der Organisation abzuholen.
Viele Unternehmen beschäftigen auch von Anfang an die Lizenzkosten – also die Frage, welche Folgekosten ein Projekt verursachen könnte. Diese sind ja nicht immer in Stein gemeisselt. So ist die modulweise Implementierung statt einer kompletten denkbar oder der Start mit einzelnen Ländern oder Bereichen – auch hier sollte das Talent im Vordergrund stehen.
Sind aus Ihrer Sicht noch Lasten- und Pflichtenhefte im HR-IT-Auswahlprozess notwendig? (Was sind bzw. wären Alternativen?)
Grundsätzlich werden Lastenhefte durchaus noch versendet. Im Rahmen von SoW (Statement of Work) reduzieren viele Unternehmen die Funktionalitäten dabei auf grundlegend erforderliche. Wir haben dazu ein Framework entwickelt, mit dem wir den Kunden den ganzen Prozess hindurch begleiten können. Statt langer Pflichtenhefte bevorzugen wir bei Cornerstone User Stories oder Cases – der Kunde sieht dann wirklich, was bei anderen Kunden umgesetzt wurde und kann besser entscheiden, ob das für ihn eine Option wäre.
Welche Themen erweitern den funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungskatalog bei Cloud Lösungen?
Die weichen Faktoren nehmen wir sehr ernst, daher bieten wir den Kunden User Meetings und Advisory Boards an, um sie immer auf Höhe zu halten. Funktional gibt es bei Cornerstone einige Funktionen, die ohne größeren Implementierungsaufwand freigeschaltet werden können wie beispielsweise Edge. Edge erlaubt über vorinstallierte Schnittstellen, eigene Angebote in das Gesamtsystem einzubinden – damit profitiert der Kunde von einer vereinfachten Anbindung zu den Tools von Cornerstone. Man kann damit den Datenpool oder die Funktionalität so erweitern, dass man beispielsweise über Analytics und Predictive Lernangebote für einzelne Mitarbeiter vorgeschlagen bekommt.
Was sind für Sie die typischen Phasen eines HR-IT-Auswahlprojektes?
Die klassischen Phasen hatte ich bereits zuvor kurz beschrieben, aber um das Wichtigste noch einmal aufzunehmen: Sie müssen sich absolut im Klaren über die Ziele sein, die die Organisation damit verfolgt. Als Zweites erscheint mir sehr wichtig, sich den Freiraum zu geben, Dinge und Prozesse neu und anders zu denken.
Jeder, der ein solches Projekt plant, wird zunächst ein Anbieterscreening durchführen mit Hilfe eines Request for Information oder eines Request for Proposal – dies sind heute Standardvorgänge. Im Rahmen des Beauty-Contest werden dann in der Regel Preis und Funktionalitäten diskutiert, sowie Deep Dive Sessions durchgeführt, um Einzelaspekte der Leistungsfähigkeit der Lösung zu demonstrieren.
Immer bedeutsamer werden in diesem Zusammenhang die Themen Security und Datenschutz, außerdem muss man dem Unternehmen einen verbindlichen Zeitplan vorgeben.
Bei Cornerstone fokussieren wir darüber hinaus auf den Bereich Aftersales. Erwähnenswert ist an dieser Stelle noch, dass wir mit unseren Client Success Managern jedem Kunden von Anfang an eine Art Coach zur Verfügung stellen, der den gesamten Prozess begleitet. Diese sind in der Regel HR-Profis, die länger in der Industrie gearbeitet haben und die Problemstellungen kennen.
Inwiefern unterscheiden sich On-Premise und Cloud-Lösungen?
Ganz gleich, welche Lösung ein Unternehmen nimmt: Das Talent sollte im Vordergrund stehen. Es geht also in erster Linie darum, eine möglichst passende Lösung zu finden.
Cloud-Lösungen haben natürlich den Vorteil, dass die Quarterly Releases und Updates leichter einzupflegen sind und sich der Community-Gedanke für das Unternehmen global leichter umsetzen lässt. Von daher kippt hier derzeit in Deutschland die Stimmung. Die Nutzer weichen ab vom Dogma der On-Premise-Lösung und wenden sich mehr und mehr dem Cloud-Thema zu – auch weil der Datenschutz heute geregelt ist. Cornerstone beispielsweise betreibt seit 2017 zwei Datencenter in Frankfurt und Paris, um europäischen Richtlinien Genüge zu tun.
Zudem ist es enorm wichtig, die Total Cost of Ownership zu klären und natürlich auch möglichst zügige und verbindliche Implementierungszeiten festzulegen.
Welche Rolle spielen On-Premise Lösungen aus Ihrer Sicht in der Zukunft?
Der Trend ist ganz klar rückläufig von On Premise Lösungen, da das Thema Datensicherheit einen immer größeren Fokus bekommt und Cloud Anbieter deutlich besser in der Lage sind, die Anforderungen an Datensicherheit umzusetzen. Außerdem sind Cloud-Lösungen mit ihren hochkonfigurablen Möglichkeiten heute in der Lage, die wichtigsten und wesentlichen Anforderungen der Kunden abzubilden, so dass kein Bedarf an individuell gecustomizten On Premise Lösungen notwendig ist.
Welche Trends/Strömungen sehen Sie im HR/HR-IT-Bereich in den kommenden Jahren?
Die Digitalisierung betraf bislang vor allem Mitarbeiter in der Verwaltung. In den nächsten Jahren wird es aber verstärkt auch darum gehen, Mitarbeiter in der Produktion mit digitalen Talent-Management-Lösungen zu versorgen. DPDHL beispielsweise hat im letzten Jahr eine interne Karriereplattform eröffnet, mit der sich auch Fahrer nach anderen Stellen im Unternehmen umsehen können. Diese Entwicklung ist nicht mehr zu stoppen. Die erfolgreichsten Anbieter werden hier diejenigen mit den besten Lösungen für mobile Endgeräte sein.
Die „Skill-Economy“ führt dazu, dass klassische Abschlüsse nur noch ein Eintrittsticket für bestimmte Jobs sind. Viel wichtiger wird es im künftigen VUCA-Umfeld mit seinen disruptiven Veränderungen sein, permanent an der eigenen Employability zu feilen. Und dazu sind Tools, mit denen sich die eigenen Skills verbessern lassen, unabdingbar.
Das andere große Thema ist die Künstliche Intelligenz. KI-Lösungen halten derzeit in fast jede Branche Einzug. In der HR kann die KI beispielsweise über Ontologien und Zuschreibungen viel bessere Auswertungen aus Mitarbeiterdaten entwickeln und den Mitarbeitern neue Perspektiven öffnen. Denn trotz der derzeitigen Delle auf dem Arbeitsmarkt bleibt der Fachkräftemangel langfristig ein Faktum.
Ein anderer wichtiger Bereich ist die „Employee Experience”, also die Reise eines Mitarbeiters bei einem Arbeitgeber – und natürlich, dass sie sich aus den Augen des Mitarbeiters besonders gut anfühlt. Dieses Erlebnis in Verbindung mit hohem Engagement für den Arbeitgeber und selbst gestaltetem Lernen – auf einer guten Plattform des Arbeitgebers – sind hier zentral. Noch ist es für viele Unternehmen, die aus einer relativ hierarchischen Tradition kommen, eine Aufgabe, für die es Fingerspitzengefühl braucht. Denn die Mitarbeiter müssen erst einmal verstehen, dass der Arbeitgeber es ernst meint mit dem Ende von Top-Down an dieser Stelle.
Was sind aus Ihrer Sicht die „Besonderheiten“ Ihrer Lösungen im Vergleich zu Ihren Mitbewerbern?
Einer der zentralen Bausteine – und eigentlich unser Ausgangspunkt seit der Firmengründung – bei Cornerstone war immer der Fokus auf Talente und der Leistungsfähigkeit von Mitarbeitern, wenn man ihre Talente und Fähigkeiten gezielt fördert. Unsere Lösungen ermöglichen Unternehmen einen ganzheitlichen Blick auf ihre Mitarbeiter – und weniger nur als „Human-Resource“.
Hinter den Lösungen von Cornerstone stecken 20 Jahre Forschung & Entwicklung in den Bereichen Talent-Management, Recruiting, Learning und Entwicklung. Die Skalierbarkeit der Anwendungen nach Unternehmensgröße, individuellen Anforderungen in punkto Sicherheit & Datenschutz, sowie die Flexibilität und die vielen Konfigurationsmöglichkeiten machen Cornerstone Suites zu passenden Lösungen für Unternehmen jeder Größe und Branche.