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Dirk Linn, rexx systems

Geschäftsführer
p-manent consulting GmbH

Interview mit

Dirk Linn

Wie schätzen Sie die aktuelle Situation am HR Softwaremarkt ein (vor dem Hintergrund „New Work“, Pandemie, etc.)?

Die aktuelle Situation hat den Druck auf die Unternehmen erhöht ihre Prozesse digital zu transformieren. Viele Menschen arbeiten mobil oder im Homeoffice. Produkte waren und sind vielfach nicht in der Lage sich der neuen Situation anzupassen. Leider erleben wir auch, dass die Menschen sich nicht von alten Prozessen lösen möchten und versuchen eine möglichst ähnliche Umsetzung in Software zu erreichen. Gerade jetzt ist ein Umdenken nötig. Die Haltung muss dabei sein, dass man vom „Ende her“ denkt, also vom Kunden oder den Mitarbeitern. Nicht von den Anforderungen der IT oder der Geschäftsführung, wie das früher meist der Fall war und damals vielfach schon nicht funktioniert hat. Eine einzigartige Chance tut sich gerade auf Dinge zu verändern.

Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren eines HR-IT-Auswahlprojektes (Prozesse, Organisation, Standardisierung, …)?

Bisher hat der Schwerpunkt einer Software auf der Homogenisierung der Prozesse und des daraus resultierenden Reportings gelegen. Kaufentscheidungen betrafen meist Funktionen, die nicht nah beim Mitarbeiter oder bei den Kunden lagen. Eine Einführung einer HR-Software war meist durch den IT-Bereich erfolgt. Das hat sich grundsätzlich geändert. Heute erreichen wir mit SaaS Modellen eine hohe Marktdurchdringung und der Anteil der IT am Projekterfolg ist in der Regel gering. Das wertet den Personalbereich auf und es müssen hier neue Skills erworben werden. Das betrifft Projektmanagement, IT-Basiswissen und interdisziplinäres Arbeiten. Methoden wie „Design Thinking“ ändern Ziele und fokussieren auf die Anwender, nicht auf die Entscheider. Beides muss zusammengeführt werden. Jedoch spielen die Kommunikation und die Flexibilität eine größere Rolle als vor einigen Jahren. Die Zeiten von „one size fits all“ sind tendenziell vorbei, also der klassische amerikanische Ansatz. Wichtig ist, dass eine Software in der Philosophie zum Unternehmen passt und nicht in erster Linie die Feature-List.

Was sind die Anforderungen aus Ihrer Sicht an die ausschreibenden Unternehmen?

Wir haben eine Gemengelage aus Unternehmen, die uns exakte Beschreibungen (Pflichtenheften, Anforderungsprofilen) liefern und solchen, die sich auf Standards einlassen und auch bereit sind, Prozesse zu ändern. Letztere haben in der Regel die erfolgreicheren Projektabschlüsse. Meist werden bestehende Prozesse beschrieben, die durch eine Software abgebildet werden müssen. Damit ergibt sich ein Spannungsbogen, denn die Hersteller richten den Blick auf die Zukunft und antizipieren Veränderungen, während ein Unternehmen meist den Status Quo zementiert.

Technische Anforderungen spielen fast keine Rolle mehr. Dafür werden Ansprüche an den Datenschutz umso wichtiger. So spielen Datenbanksysteme keine wesentliche Rolle mehr. Wichtig ist vielen Unternehmen eine Interoperabilität zwischen vorhandenen Systemen. Waren früher Schnittstellen oft vermieden worden, gehören diese heute zur Basis. Doppeleingaben und erhöhter Personalaufwand im Tagesgeschäft sind tabu. Idealerweise werden Suiten (also Systeme mit homogenen Modulen und meist einer gleichen Entwicklungsplattform) vorgezogen. Oft starten Unternehmen mit dem Wunsch nur ein einziges System mit allen Facetten einzuführen, aber das ist genau das, was in der Vergangenheit ein zentrales Problem war. Auch was die Agilität angeht. Gut nutzbare Speziallösungen, die angebunden werden, sind mehr akzeptiert und sorgen für Schnelligkeit.

Sind aus Ihrer Sicht noch Lasten- und Pflichtenhefte im HR-IT-Auswahlprozess notwendig? (Was sind bzw. wären Alternativen?)

Es gibt leider noch zu viele Ausschreibungen, die über Lasten- und Pflichtenhefte gehen. Aber diese werden weniger. Meist sind es öffentliche Träger. Ich persönlich halte dieses Vorgehen eher für eine Schwäche des Unternehmens. Man sichert sich ab, richtet den Blick meist nach hinten, hat vielleicht Ideen nach vorne, die mit dem Blick nach hinten kollidieren. Kein mir bekanntes Unternehmen hat eine bessere, moderne Software entwickeln können als die etablierten Softwarehersteller.

Wichtig ist eher ein Zukunftsmodell für die HR zu entwickeln und sich methodisch einer neuen Struktur zu nähern. (Auch wachsen und verändern sich Produkte, wobei die Anforderungen zum Zeitpunkt des Systemkaufs sich nicht mitändern.) Es ist also ein statischer Blick, der oft keine Strategie oder Veränderung zulässt. Es ist nicht die Software entscheidend, sondern der Partner mit dessen Innovationskraft, Kommunikationsverhalten und Support.

Neue Start-ups können vieles neu aufbauen, haben aber auch oft einen fachlichen Nachteil oder in der Skalierung. Beobachten Sie genau, wie sich ein Anbieter entwickelt und welche Kunden er anspricht. Meist sind Gespräche mit Unternehmen, die ihre präferierte Software einsetzen, mehr aussagekräftig als Angebote oder Präsentationen des Anbieters.

Welche Themen erweitern den funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungskatalog bei Cloud Lösungen?

Die Türen der Unternehmen haben sich geöffnet. Die Zeiten des On-Premise-Datenbestands, der keine Interaktionen mit externen Systemen zulässt oder Zugriff nur innerhalb des eigenen Netzwerkes im Firmengebäude zulässt, sind vorbei. Der Fokus liegt auf der Einbindung der gesamten Workforce. Waren in den 90er Jahren HR-Systeme eher dem HR-Bereich vorbehalten, wurden mit dem Intranet und Browsern die Führungskräfte in den 2000er Jahren eingebunden. Der Durchsatz bis zur gesamten Mannschaft ist bis heute ein Thema.

Vielfach wurden Systeme für Mitarbeiter nur PC-basiert umgesetzt und auch nur auf die Firmennetzwerke beschränkt. Spätestens mit der Einführung von Smartphones haben Mitarbeiter Möglichkeiten, die von Unternehmen gar nicht beachtet wurden. Eine Kommunikation war immer noch auf die Endgeräte des Unternehmens oder innerhalb der Unternehmen beschränkt. Mit WhatsApp und anderen Plattformen wie Facebook & Co haben sich im Privaten neue Formen der Kommunikation ergeben, die nicht genutzt wurden. Das Lernen hat sich mit YouTube komplett verändert. Alles Lösungen, die einen hohen Nutzen für den Anwender haben, bei gleichzeitig einfacher Nutzung. Die Unternehmen haben diese Entwicklung, bei der die Anforderungen der Nutzer im Mittelpunkt stehen, versäumt.

Was sind für Sie die typischen Phasen eines HR-IT-Auswahlprojektes?

Es beginnt idealerweise damit, dass ich mein Unternehmen anschaue. Wo es steht und wo es sich entwickeln möchte. Welche Kultur habe ich oder will ich erreichen? Wird das mit den Menschen gelingen? Wo habe ich Treiber von Veränderungen und auf welcher Entscheiderebene? Wenn diese Fragen nicht geklärt sind, dann startet eine Auswahl unter keinem guten Stern.

Danach sollten wir in den Austausch mit Firmen gehen, die gerade eine Software einführen oder eine eingeführt haben. Dabei ist die Branche und Größenordnung gar nicht so relevant wie die Kultur.

Eine Marktsondierung erfolgt im nächsten Schritt auf Basis der Gespräche oder Recherchen im Internet. Gutes Marketing muss nicht zweifelsfrei ein gutes Produkt und einen guten Service bedeuten. Eine Longlist mit 5 – 10 Anbietern sollte der erste Schritt sein. Dabei helfen beispielsweise auch Softwarevergleiche, obwohl die auch über das Marketing der Hersteller und entsprechende Bewerbung Verzerrungen haben.

Ein erster Kontakt zu Anbietern wäre der nächste Schritt. Achten Sie dabei darauf, wie ein Anbieter sich präsentiert und wie realistisch Aussagen sind. Mit einem guten Gefühl, wie ein Hersteller sein Produkt platziert und ob er zu Ihrer Kultur passt, erstellen Sie eine Shortlist von ca. 3 Anbietern. Diesen geben Sie bitte drei Aufgaben mit, die Sie abbilden möchten.

Beispiele könnten sein:

  • Ausschreibung von Vakanzen
  • Onboarding von neuem Personal
  • Umorganisation eines Bereichs
  • Erstellung von Dokumenten
  • Zugriff eines Mitarbeiters auf persönliche Daten und deren Änderungsanträge
  • Anmeldung zur Schulung, Teilnahme und Dokumentation
  • Ansicht der verschiedenen Rollen wie HR Admin, Führungskraft und Personal
  • Karriere- und Nachfolgeplanung
  • etc.

Danach sollten Sie selbst die Möglichkeit haben, das System mit einer vorbereiteten Umgebung, die auf Ihre Auswahl beschränkt ist, zu testen. Oftmals werden Teile nicht angeboten und Demoumgebungen mit allen Optionen im Vorfeld zum Testen nicht freigeschaltet.

Nach dem Vertragsangebot und der Bestellung formieren Sie ihr Projektteam. Der Beginn ist in der Regel ein Kick-off mit dem neuen Softwarepartner, der bei Ihnen alle Beteiligten mit einbindet und die gemeinsamen Ziele definiert. Danach erfolgt eine Einführung in der Regel in Stufen oder Phasen. Erfragen Sie das Vorgehen im Projekt im Vorfeld und prüfen Sie, ob das ihrem Wunsch entspricht. Achten Sie auf ein gutes Projektmanagement, einen festen Ansprechpartner und guten Support während der Einführung sowie spätere gute Kundenpflege.

Inwiefern unterscheiden sich On-Premise und Cloud-Lösungen?

Oft können Systeme On Premise oder in der Cloud betrieben werden. Letztere sind in der Regel Systeme, die gekapselt sind und eine eigene Datenbank und einen eigenen Webserver etc. nutzen. Jeder Kunde hat einen eigenen virtuellen Server und ist somit rein logisch getrennt, kann jederzeit umziehen, kann skalieren und kann auch im Rahmen der Möglichkeiten Anpassungen vornehmen, die sich nur auf den eigenen Betrieb beziehen.

Viele reine Cloud-Anbieter nutzen eine sogenannte Multi-Tenant Plattform. Diese ist zentral für alle aufgeschalteten Kunden, die gemeinsame Ressourcen nutzen. Systeme sind oft verteilt über verschiedene Server in verschiedenen Ländern. Einige Hersteller nutzen dazu Plattformen wie Amazon Web Services (AWS), andere nutzen ausschließlich eigene Umgebungen in fest definierten (deutschen) Rechenzentren.

Oftmals bedürfen ältere Architekturen eines Release-Managements, also der Aufspielung von neuen Softwarepaketen. Dies hat einen Aufwand beim Kunden zur Folge. Andere Systeme bieten einen „Evergreen“ Ansatz, der täglich alle Neuerungen und Patches einspielt. Letzteres ist der Trend. Dies hat aber auch Einfluss auf statische Dokumente wie Anleitungen, Betriebsvereinbarungen und Co, da sich das System je nach Entwicklungsstand des Herstellers verändert und erweitert.

Welche Rolle spielen On-Premise Lösungen aus Ihrer Sicht in der Zukunft?

Die Frage ist auch, wie sich die IT in Unternehmen verändert. Wir haben heute schon eine Knappheit an Experten. Deshalb werden sich Unternehmen im Betrieb auf Kernprozesse konzentrieren müssen. Die HR-Systeme betrifft das nicht, denn hier kann vieles als Cloud-Anwendung genutzt werden. Die Zeiten, da Personaler „ihre eigenen Systeme“ entwickeln wollten, sind vorbei. Meist hat die IT auch keine Zeit HR zu unterstützen. Viele Personaler sind froh, dass heutige Systeme schon gute Prozesse haben, die nicht beschrieben werden müssen, sondern rasch genutzt werden können.  Die Oberflächen haben sich verändert und die Administration der Anwendung ist nicht mehr so kompliziert.

Cloud-Anbieter sind es gewohnt, dass Anwender geschützt auf die Anwendungen zugreifen. Auch außerhalb der Firmennetzwerke. Das lassen viele Firmen nicht zu oder haben noch keine Konzepte dafür. Daher ist es einfacher und schneller eine Cloud-Lösung einzuführen und die Organisation bei gleichzeitig höherem Nutzungsgrad zu entlasten.

Es wird immer noch Firmen geben, die Systeme innerhalb des Netzwerkes betreiben, also On-Premise. Dieser Anteil wird sich in den kommenden Jahren drastisch verkleinern. Oftmals ist es der Wunsch der Unternehmen eine Cloud-Lösung einzuführen, aber die bestehenden Softwareprodukte können das nicht abbilden. Zum Teil auch deshalb, weil man damals so viele Sonderprogrammierungen hatte, die nicht auf einer neuen Generation von Cloud-Produkten möglich sind.

Welche Trends/Strömungen sehen Sie im HR/HR-IT-Bereich in den kommenden Jahren?

Ich hatte das oben schon etwas vorweggenommen. Die Frage ist doch: „Wem nützt die HR-Lösung“? Wenn wir keine Verbindung zu den Mitarbeitern haben, fehlt ein wichtiger Teil. Wenn wir keine mobile Lösung haben, bin ich ortsgebunden. Wenn ich nur Papierprozesse elektronisch abbilde, fehlt mir die Strategie. Die Kultur wird somit das Maß der Dinge sein. Wie führe ich? Wie kommuniziere ich? Wie arbeite ich zusammen?

Früher war eine komplexe Regelabbildung in den Systemen zwingend. Das ist aber auch ein sehr deutsches Thema und hat den Eintritt von ausländischen Anbietern sehr erschwert. Diese Dinge weichen eher einer Kollaboration, Transparenz und einem Vertrauen. Systeme werden weniger komplex, dafür transparenter. So, wie eine Führung durch Wissensvorsprung nicht mehr funktioniert, so werden auch Systeme kooperativer. Feedback und Veränderungen werden wichtiger. Ein jährliches Mitarbeitergespräch passt nicht mehr in eine Welt, die agil sein möchte. Veränderungen finden so schnell statt, dass sich Prozesse verändern. Menschen müssen mitgenommen werden. Systeme müssen zum Mitmachen „einladen“. Es müssen persönliche Mehrwerte in der Nutzung erkannt werden und Kennzahlen sich daraus ableiten. Nicht Kennzahlen geben Prozesse vor.

Mit dem Smartphone sind wir es gewohnt verschiedene Apps zu haben. Wir sind es auch gewohnt eine Software zu testen, eine Zeit lang zu nutzen und sich dann für eine besser geeignete zu entscheiden. Es wird ein ständiger Wettbewerb, bei dem immer der Anwender im Fokus stehen wird. Systeme, die nicht genutzt werden, haben es schwer.

Was sind aus Ihrer Sicht die „Besonderheiten“ Ihrer Lösungen im Vergleich zu Ihren Mitbewerbern?

Wir haben Produkte im Portfolio, die genau dem neuen Trend entsprechen: Nutzerfreundlich, flexibel und am Puls der Zeit. Neben den Produkten haben wir ein Team von Beratern, die bei p-manent ein ganz spezielles und modernes Arbeitsumfeld haben. Wir leben bereits in der Welt, die viele Unternehmen zu erreichen versuchen. Es ist bei p-manent also die Kombination aus Produkten und Team, die uns von anderen abhebt.

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