Head of SAP SuccessFactors /
Human Experience Management – SAP Deutschland SE & Co. KG
Interview mit
Lars Thiwissen
Wie schätzen Sie die aktuelle Situation am HR Softwaremarkt ein (vor dem Hintergrund „New Work“, Pandemie, etc.)?
Die Erwartung und der Druck auf Unternehmen, ihre Digitalisierungsstrategie mit höherer Priorität zu verfolgen, ist durch die Pandemie enorm gestiegen. Die Digitalisierung von HR-Prozessen, der Einsatz von Kollaborationstools, die Möglichkeit, orts- und zeitunabhängig zu lernen und zu arbeiten sowie der natürliche Einsatz von (privaten) Mobilgeräten auch im Arbeitsalltag sind nur einige der Aspekte, die mehr denn je zu den Standard-Erwartungen von Arbeitnehmern gehören, vor allem denen der jüngeren Generationen. Auf die Pandemie-Zeit blickend fragen sich zudem viele Arbeitnehmer „wenn nicht jetzt, wann dann“ und bewerten ihr Unternehmen neu – auch danach, wie in der Zeit der Pandemie mit dem Thema der Digitalisierung umgegangen wurde. Entsprechend wichtig ist es für Unternehmen, das Thema Digitalisierung anzugehen und umzusetzen.
Was sind aus Ihrer Sicht die Erfolgsfaktoren eines HR-IT-Auswahlprojektes (Prozesse, Organisation, Standardisierung, …)?
Zunächst sind das Commitment der Führungsebene während des gesamten Projektes und die Kopplung an die Unternehmensstrategie von hoher Relevanz für ein erfolgreiches HR-IT Auswahlprojekt. Hinzu kommen eine klare Zielvorstellung, definierte Meilensteine und KPIs entlang der Zeitschiene. Darüber hinaus ist das Zusammenstellen eines heterogenen Projektteams von hoher Wichtigkeit. Nur so gewinnen die Veränderungen, die jedes Projekt mit sich bringt, auch die notwendige Akzeptanz in der Organisation. Aus unserer Erfahrung sollte ein Projektteam aus HR, IT, Mitarbeitern und Führungskräften (den direkten HR-Kunden!), dem Betriebsrat und idealerweise der Geschäftsleitung bestehen.
Ein weiterer wichtiger Erfolgsfaktor ist die generelle Bereitschaft, Prozesse neu zu denken und hierbei die Employee Experience – das positive Erlebnis mit einem intuitiv nutzbaren Prozess – in den Mittelpunkt zu stellen. Dabei müssen auch Prozesse kritisch hinterfragt und ggf. verändert und standardisiert werden.
Auch die Wahl des richtigen Partners – sowohl für die Systemauswahl als auch für die spätere Implementierung – ist von enormer Bedeutung. Wir stellen bei unseren Implementierungspartnern daher über ein Zertifizierungsprogramm sicher, dass unsere Kunden aus einer großen Anzahl an Expertise-Partnern auswählen können, die eine reibungslose Implementierung sicherstellen. Hierbei ist nicht zuletzt ein gutes Change Management (regelmäßige Kommunikation, frühzeitige Einbindung der Mitarbeiter, frühzeitiges Training, einholen von Feedback, notwendige Anpassungen erkennen und umsetzen) ein sehr relevanter Aspekt.
Was sind die Anforderungen aus Ihrer Sicht an die ausschreibenden Unternehmen?
Wir freuen uns immer besonders, wenn ausschreibende Unternehmen neben der „Pflicht“ – also dem Darstellen der Anforderungen im Pflichtenheft – auch die „Kür“ anfragen, sprich: die Möglichkeit, einfach mal alles zu zeigen, was wir als SAP SuccessFactors zu einem Thema zu bieten haben. Je mehr Wert auf die Vorteile einer Lösung für Mitarbeiter und Führungskräfte gelegt wird, desto wohler fühlen wir uns mit unseren Lösungen. Und wenn natürlich auch Aspekte berücksichtigt werden wie die Auswertungen, Kennzahlen und die Integration in eine Business Suite mit FI, Logistik und Co., die ja auch mit HR-Daten bedient werden müssen.
Sind aus Ihrer Sicht noch Lasten- und Pflichtenhefte im HR-IT-Auswahlprozess notwendig? (Was sind bzw. wären Alternativen?)
Lasten- und Pflichtenhefte haben in ihrer Grundidee weiterhin eine gewisse Berechtigung, sollten aber in der heutigen Zeit über eine Auflistung in Excel hinausgehen. Wichtiger ist einerseits ein gemeinsames Verständnis der Kundenanforderungen und andererseits ein Abgleichen dieser Erwartungen mit den best practices und Erfahrungen aus einer Vielzahl an Kundenprojekten. Die Einführung einer HR-Lösung ist immer auch ein Veränderungsprojekt und braucht Offenheit auf beiden Seiten, um die beste Lösung zu finden.
Eine Alternative zu starren Pflichtenheften sind interaktive Workshops mit Kunden – gerne als Design Thinking Sessions – in denen wir Prozesse und daraus resultierende Anforderungen gemeinsam definieren und gestalten.
Welche Themen erweitern den funktionalen und nicht-funktionalen Anforderungskatalog bei Cloud Lösungen?
Selbstverständlich die Service Level Agreements, die Themen Datenschutz und Datensicherheit und die grundsätzliche Compliance von Lösungen zu den vielfältigen lokalen Anforderungen.
Daneben Themen wie Referenzen in der jeweiligen Industrie, die wir gerne liefern – auch im Rahmen von Referenzbesuchen – und insbesondere bei größeren Kunden die globale Lieferfähigkeit sowohl der Lösung wie auch der Implementierungs-leistungen über ein entsprechendes Netzwerk an Partnern und Landesgesellschaften.
Was sind für Sie die typischen Phasen eines HR-IT-Auswahlprojektes?
Für uns als Lösungsanbieter beginnt das Auswahlprojekt häufig mit einer Ausschreibung. In einer ersten Phase konzentrieren wir uns darauf die Anforderungen und Ziele, die die Kunden mit einer neuen HR-Lösung verbinden, umfänglich zu verstehen. Selbstverständlich beantworten wir Pflichtenhefte und Anforderungskataloge. Im Mittelpunkt steht aber das Kennenlernen des Kunden und das Verstehen seiner Wünsche und Ziele.
In einer zweiten Phase wird es dann konkreter. Da finden zu einzelnen Themen Workshops statt, in denen unsere Lösungen vorgestellt und auf die Bedürfnisse des Kunden angepasst werden. Hier stehen die Mehrwerte unserer Lösungen, die Bedienungsfreundlichkeit und die positiven Erlebnisse – die Human Experience – an erster Stelle.
Zu einem solchen Auswahlprojekt gehört weiterhin eine Angebotsphase mit einer schlüssigen und verlässlichen Kalkulation aller Kosten und Aufwände inklusive Lizenzen und Implementierung. Dazu unterstützen wir durch unsere HR Value Advisor bei der Erstellung eines Business Cases.
Inwiefern unterscheiden sich On-Premise und Cloud-Lösungen?
Zunächst durch das Betriebsmodell: Cloud-Lösungen bieten generell eine hohe Flexibilität, permanente Innovation, geringere Gesamtkosten und somit einen schnelleren Return-On-Invest.
Mit Cloud-Lösungen verbringen unsere Kunden deutlich weniger Zeit mit der Einrichtung und Implementierung. Was einmal Monate bis Jahre gedauert hat, lässt sich mit dem Cloud-Modell oft innerhalb von nur Wochen umsetzen.
Der Zugang zu neuesten Innovationen erfolgt sofort mit Verfügbarkeit, ohne vorher Upgrade-Zeiten in Kauf nehmen zu müssen oder von den Zeitplänen der IT-Abteilung abhängig zu sein.
Zudem lassen sich unsere Cloud-Lösungen perfekt auch in kleineren Schritten einführen. Nach dem Prinzip „Start anywhere, go everywhere“ kann die Einführung bei den Prozessen beginnen, die aktuell den höchsten Veränderungsbedarf aufweisen und dann weitere Bereiche nach und nach einschließen.
Welche Rolle spielen On-Premise Lösungen aus Ihrer Sicht in der Zukunft?
On Premise Lösungen werden in der nahen Zukunft weiterhin eine Rolle spielen. Wir sehen aber auch, dass ihre Bedeutung abnimmt. Die vielen Vorteile einer Cloud Lösung wie die erhöhte Innovationsgeschwindigkeit, der geringere TCO und die höhere Flexibilität sprechen hier für sich. Trotzdem möchten wir unsere Kunden auf dem Weg in die Cloud unterstützen, damit sie in eigener „Reisegeschwindigkeit“ vorangehen können. Wir bieten unseren vielen tausend On-Premise Kunden daher zahlreiche Möglichkeiten, Investitionen in On-Premise weiterhin zu nutzen und gleichzeitig von den Vorteilen der Cloud zu profitieren. Ein zentrales Angebot in diesem Rahmen ist‚ RISE with SAP‘. Hiermit haben Kunden die Möglichkeit, über einen lift&shift-Ansatz das bestehende (oder Teile des) HCM OnPrem System in die Cloud zu heben.
Welche Trends/Strömungen sehen Sie im HR/HR-IT-Bereich in den kommenden Jahren?
Der aktuelle Trend, die Employee Experience deutlich in den Fokus zu stellen, also Erlebnisse von Mitarbeitern während ihrer Arbeitszeit und in der Interaktion u.a. mit HR, den HR Prozessen und ihren Tools, wird uns sicher noch einige Zeit begleiten.
Die weitere Flexibilisierung und Demokratisierung der Arbeitszeit ist aus unserer Sicht auch ein Trend, der sich vor allem in der Arbeitnehmergruppe der sogenannten Deskless Workforce weiterentwickeln wird. Wir sprechen hier von Mitarbeitern, die keinen festen Schreibtisch-Arbeitsplatz haben und häufig, aber nicht nur, in Schichtkonstellationen arbeiten. Durch den fehlenden Schreibtisch ist häufig die digitale Anbindung an zentrale IT Systeme nicht gegeben und damit auch ein gewisser Grad der Abkopplung oder zumindest einer zeitlichen Verschiebung von aktuellen Informationen vorhanden. 80% der weltweiten Arbeitnehmer gehören zu dieser Gruppe, vom Servicetechniker über den Vertriebsmitarbeiter bis zum Facharbeiter. Diese beeindruckend große und wichtige Anzahl an Mitarbeitern gilt es aus unserer Sicht stärker einzubinden.
Was sind aus Ihrer Sicht die „Besonderheiten“ Ihrer Lösungen im Vergleich zu Ihren Mitbewerbern?
Die Besonderheit unserer Lösung liegt zum einen in der großen Erfahrung, die wir in den letzten Jahrzehnten mit etwa 7000 Kunden sammeln durften, davon ein großer Anteil in unserem Heimatmarkt Deutschland. Wir kennen den HR Markt und wir wissen, was HR Abteilungen beschäftigt. Das erlaubt uns, zahlreiche Best Practices in sämtlichen HR-Prozessen mit der Lösung anzubieten. Dabei bietet SAP SuccessFactors die Möglichkeit dort zu starten, wo der größte oder schnellste Mehrwert geliefert wird. Dies gepaart mit der großen Prozessexpertise, die wir insgesamt bei SAP haben, und dem großen Partnernetzwerk macht uns außergewöhnlich.
Unsere Kunden sind automatisch Mitglied der großen SAP SuccessFactors Community und erhalten Zugang zu einer großen Auswahl an Ressourcen und Informationen weltweit. Zudem bietet unser Customer Engagement & Experience Bereich weitergehende Programme, Tools und Dienstleistungen, die im Verlauf der Nutzung unserer Lösungen dafür sorgen, dass unsere Kunden die angestrebte Wertschöpfung auch tatsächlich erreichen.
Wir haben nicht nur das Ziel, HR Abteilungen zu mehr Effizienz, Produktivität, Spaß und Effektivität zu verhelfen. Wir sind auch davon überzeugt, dass die konsequente und einfache Verknüpfung von relevanten HR Daten mit anderen Unternehmensdaten für Unternehmen als Ganzes einen enormen Mehrwert bedeutet und unseren Kunden hilft, sich weiter zu einer Intelligent Enterprise zu entwickeln. In diesem Zuge spielt natürlich auch die Verknüpfung von operativen, den sogenannten O-Daten und Experience, den sogenannten X-Daten eine wichtige Rolle. Die Experience Economy ist hier und wird bleiben.